B E F R E I U N G ?

(frei vom Faden)

 

Figuren

aus Holz

geschnitzt

sturen

stolz

verschmitzt

mit starrer Miene

von der Bühne

durch den Spalt

in den Saal

der kalt

und kahl

bis die Masse

durch die Kasse

gekommen

Platz genommen

               Kaum

               im Raum

               schon geht's los

               Spannung groß

               Vorhang auf

               Spiel nimmt Lauf

               von Geisterhand

               von Meisterhand

               gezogen

               betrogen

               legt das Leben los

               am Faden bloß

Beine laufen

Nüstern schnaufen

Hälse husten

Nasen prusten

Augen blicken

Köpfe nicken

Bäuche wackeln

Waden dackeln

Kinder trollen

Bälle rollen

Mädels lupfen

Nägel zupfen

Töne klingen

Peitschen schwingen

Tauben gurren

Bienen surren

Winde wehen

Rädchen drehen....

               Wie keiner denkt

               am Faden gelenkt

               das Leben beginnt

               Die Müllerin spinnt

               doch sie kann es nicht

               nur der kleine Wicht

               Rumpelstilzchen klug

               hat Grips genug

               ohne viel Sinnen

               Gold zu spinnen

               aus Stroh...

Der König ist froh

gibt dem Prinzensohn

die Müllerin zum Lohn

Großes Fest

tausend Gäst'

von weit und breit

Hochzeit!

Mahlzeit!

Gebratene Tauben

aus Schüsseln klauben

Lachs und Bär

Pol Fabaire

Sekt

schmeckt

Das Beste vom Besten

schwebt zu den Gästen

am Faden gezogen

herbeigeflogen

O du Daus

welch ein Schmaus!

               Nach dem Ganzen

               kommt das Tanzen

               Prinz und Braut

               kaum getraut

               mit wiegendem Schritte

               tanzen zur Mitte

               Dem König zur Lehre

               nehmen die Schere

               schneiden - schnipp schnapp -

               die Fäden ab

               und tanzen befreit

               im Hochzeitskleid

               aus dem goldenen Haus

               zum Tor hinaus

               Hinaus aus dem Schein

               ins wahre Leben hinein

Ein ganzes Jahr

und noch viel mehr

schuftet das Paar

hart und schwer

mit Kopf und Hand

in Wald und Land

sparet viel

für Ernst und Spiel

gibt wenig aus

baut ein Haus

hilft außerdem

beim Rentenproblem

stopft das Nachwuchsloch

zeugt Kinder noch und noch

erfreut sich in aller Bescheidenheit

der wunderschönen Freiheit

               Man braucht nicht zu fragen

               sicher leisten sie sich einen Wagen

               einen größeren noch

               als den der Familie Koch

               die genau gegenüber wohnt

               Und es hat sich gelohnt

               Das Ziel ist erreicht

               Der Nachbar erbleicht

               als er den Schlitten sieht

               Man hat sich nicht umsonst bemüht

Das Leben ist wirklich schön

besonders wo sie jetzt das Kindergeld erhöhn

aus purer Liebe zu den Kleinen

nicht um die Wirtschaft anzukurbeln

wie manche meinen

oder auch nur murmeln...

Ja, das Leben ist zu ertragen

und wenn mal Zweifel plagen

hat man - wie in Delphi - sein Orakel:

ein wahres Mirakel

mit eckigem Gesicht

das ratend zu dir spricht

nur Müllermilch zu schlürfen

und Babys bedürfen

ohne Fragen

Pampers mit 3 Lagen

und im Wald, der Prinz exakter sägt

seit er Fielman Brille trägt!

               Und die Jahre vergehn wie im Flug

               und das Pärchen ist froh

               denn es hat genug

               denkt nicht mehr an gelbes Stroh

               nur ab und zu ein bißchen an Gold

               wenn das Schicksal ihnen besonders hold....

               Und abends beim Feuer im Kamin

               spricht der Exprinz zur Müllerin:

               "Gelt, das Leben ist noch schöner als man denkt

               wenn man nicht mehr am Faden hängt!"